Das_wertvollste_Buch_des_Frühjahrs

Das war die Überschrift in meiner Tageszeitung, für ein Buch von Arno Geiger mit dem Titel: "Der alte König in seinem Exil".
Ein berührendes, ergreifendes und liebevolles Buch von einem, dessen Vater an Demenz erkrankt ist.
Ein Schlüsselsatz, gleich zu Beginn dieser Geschichte lautet: "Da mein Vater nicht mehr über die Brücke in meine Welt gelangen kann, muss ich hinüber zu ihm"
Der Autor erzählt in dieser Liebeserklärung an den verlorenen und doch wie nie zuvor nahestehenden Vater über die Problematik Alzheimer, das Sinnbild unserer Gesellschaft.

In einem ZDF-Bericht, konnte ich vergangene Woche den Bericht "Reise ins Vergessen" sehen, der sich ebenfalls dieses Themas angenommen hat.
Auch hier wurde ein Sohn mit dessen an Alzheimer erkrankten Vater vorgestellt und das wunderbare, bei all der Tragik war, daß diese Beziehung nie so gut gewesen war, wie seit der Erkrankung des Vaters

Auch bei meinem Vater gab es kurz vor seinem Tod die Tendenz, dement zu werden und ich wußte nie wirklich, ob er gewisse böse Äußerungen noch bei vollem Bewußtsein machte, oder ob es bereits eine weitergehende Verwirrung war.

Wieviel Verwirrtheit können wir selber vertragen?
Sabine WW - 9. Feb, 08:54

Wir haben diese Problematik ja auch, sind allerdings über die bösartige Phase schon hinweg. Mein Schwiegervater ist sehr geduldig und lieb - aber kaum noch für sogar alltägliche Dinge ansprechbar. So sind die Gespräche sehr einseitig und kindlich - aber doch irgendwie anrührend.

Ich habe den Bericht (zweiter Teil gestern Abend) auch gesehen - ich hab Angst vorm Älterwerden!

Elisabetta1 - 9. Feb, 09:55

Ja, Sabine, ich denke auch nicht mit Freude daran

älter zu werden. Dieser Standardsatz: "Jedes Alter hat seine schönen Seiten", dem kann ich nicht unbedingt etwas positives abgewinnen - soferne es das späte Lebensalter betrifft. Ich sehe in meinem Umfeld viele Menschen, die ihr 7. Lebensjahrzehnt erreicht haben und damit "Patienten" geworden sind.
Wobei man körperliche Beschwerden ja "selbst" erleiden muß, bei den geistigen, ist die Familie oder das Umfeld umsomehr betroffen.
Ich empfinde das Zusehen, wie ein lieber Mensch offensichtlich verfällt, als die wirkliche Belastung - man ist ja so ohnmächtig. ;-(
s-even - 9. Feb, 10:15

Ohne es in irgend einer Weise klassifizieren zu wollen,

...aber der "Vorteil" bei an Demenz erkrankten Menschen ist, dass wir uns mit ihnen in irgend einer Form noch in Dialog begeben können. Diese Menschen leben, so erkläre ich es mir unwissenschaftlich, in einer Parallelwelt, wo sie das Erlebte ihres Lebens im Zeitraffer erneut erleben, dann irgendwo im Infantilen stehenbleiben und später sterben. Wir haben die Möglichkeit, als ach so "normale" Menschen, darauf einzugehen und zu reagieren.
Hat man es mit einem Komapatienten zu tun, ich spreche leider aus 10-monatiger Erfahrung damit, dann ist es vorbei mit dialogorientierter Kommunikation. Dann redet man und bekommt keine, wie auch immer geartete, Reaktion. Man schaltet Musik ein oder singt und bekommt keine Reaktion. Kein Wimpernschlag, kein Zittern der Hand, kein garnichts. Man steht mit einem lebenden Gebilde aus Haut und Fleisch in einem Zimmer und findet keinen Zugang mehr. Wohl dem, der dabei eine dicke Haut bekommt und seine Liebe nicht verliert.
Es ist sehr, sehr schwer, mit Demenz oder Koma oder auch anderen Alterskrankheiten umzugehen. Aber wir haben die Gabe des Intellekts und der Kommunikation, so schwer es auch immer wieder sein mag.

"Wieviel Verwirrtheit können wir selber vertragen?"
Ich glaube, der Umgang mit diesen Menschen erlaubt keinen Zweifel an dem eigen ICH. Natürlich muss man sich immer wieder selbst kritisch befragen, aber in diesem Zusammenhang kann einen selbst nur eine klare Linie retten - und den Patienten auch, der sich zunehmend in dieser Situation neu sozialisiert und manchmal reagieren will.

Elisabetta1 - 9. Feb, 11:10

Den Aspekt,...

... Komapatient, habe ich heute noch nicht einmal angedacht und es ist völlig verständlich, daß dies, die noch größere, viel schwierigere Herausforderung für jene Menschen ist, die solche Patienten begleiten.
Die Fähigkeit eines Menschen, sein eigenes Verhalten auch in belastenden Situationen rational steuern zu können, ist nicht unbedingt angeboren
Manchesmal sagt man: "Der Mensch wächst mit seiner Aufgabe", aber er kann auch durchaus daran zerbrechen, wenn seine eigene Stabilität durch das Mit_er_leben gehörig ins Wanken gerät.
s-even - 9. Feb, 17:58

Ich wollte da nicht taktlos erscheinen

...habe aber in meinem Leben schon sehr oft erlebt, dass Menschen eben nicht an den auf sie zukommenden Umständen zerbrechen.
Natürlich kann man nicht immer alles rational steuern. Gott sei Dank. Aber man kann sich mit der Problematik auseinandersetzen und intellektuell wissen, was das "Richtige ist. Ob es dann auch machbar ist, ob der eigenen Ängste und Zweifel, das weiß nur der Augenblick. Ich glaube, dass Du die Stärke hast. Und wenn nicht, dann hast DU immer noch viele liebe Menschen um Dich, die sich sorgen und sich um DICH kümmern. Das allein gibt doch auch (etwas) Stärke und Halt.
Viel Kraft und alles Gute!
Elisabetta1 - 9. Feb, 19:36

Keine Sekunde habe ich daran gezweifelt, wie Du es meinst und von "taktlos", kann da nicht die Rede sein. Es ist und bleibt eine schwierige Aufgabe, die uns Mitmenschen aufgebürdet wird und die Sorge über das Älterwerden verringert sich leider gar nicht.
walküre - 9. Feb, 16:29

Mir scheint, es ist von Vorteil, wenn man (als Privatperson, ich spreche hier nicht von Pflegeberufen) nicht ansatzlos von Null auf Hundert mit Demenz konfrontiert ist, sondern die Chance bekommt, mit deren langsamem Fortschreiten mitzuwachsen. Zeit relativiert sich dadurch, das Leben geschieht von Tag zu Tag; ein Tag ist besser, der andere wieder schlechter, man lernt, auch auf nicht steuerbare Faktoren wie Witterung und Jahreszeit zu achten, von denen demente Menschen sehr wohl auch beinflusst werden. Das Leben wird auf gewisse Weise langsamer, weniger zukunftsorientiert, mehr auf das Hier und Jetzt gerichtet - das Leben mit Kleinkindern stellt übrigens oft ähnliche Anforderungen -, und das ist es auch, was wir aus solchen Zeiten mitnehmen können und vielleicht auch sollen.

Ich denke, der Zustand der Demenz lässt sich für begleitende Menschen umso besser ertragen, je sicherer sie in ein tragfähiges Umfeld aus Familie und Freunden eingebettet sind; im Endeffekt verhält es sich wohl so, dass wir meist mehr aushalten können, als wir selber es für möglich halten.

Elisabetta1 - 9. Feb, 20:00

Der Vergleich mit den Kleinkindern,...

... ist sehr treffend! Einem Kleinkind etwas zu sagen oder aus gesundheitlichen Gründen zu verbieten, wird in den meisten Fällen akzeptiert bzw. befolgt - einen alten Menschen ebenso zu behandeln, erzeugt Ablehnung, Trotz, Zorn.
Wenn es dann auch noch Vater oder Mutter sind, bestand (für mich zumindest) noch mehr Zurückhaltung, um nicht zu sehr den Eindruck zu erwecken, daß sie nicht mehr selbst über sich bestimmen können/dürfen. Wann es "helle" Momente gibt, offenbart sich ja nicht immer augenscheinlich.
walküre - 9. Feb, 20:23

Sie haben mich ja in den vergangenen Monaten virtuell begleitet und wissen deshalb, welche Diskussionen sich da mitunter bei dieser Thematik entsponnen haben, vor allem, wenn es darum ging, meine Eltern davor zu schützen, sich selbst (und anderen -> Stichwort "Autofahren") zu schaden. Momentan frage ich mich manchmal, wie ich es geschafft habe, diese Zeit durchzustehen.
Elisabetta1 - 9. Feb, 21:41

Sie haben diese Zeit - von meiner Warte aus gesehen - bewundernswert durchgestanden.
Nicht nur, daß es beide Elternteile betroffen hat, spielten ja auch noch die herrschenden Wetterverhältnisse, die Entfernung zwischen Wohn- und Betreuungsort und auch Ihre Befindlichkeit eine große Rolle. In dieser Konstellation, die Ruhe zu bewahren, auf die kranken Eltern einzugehen, ihren Verbleib zu organisieren und auch noch die eigene Familie
nicht zu kurz kommen zu lassen, hat sicher viel Energie gefordert, aber Sie auch um einige Erkenntnisse reicher gemacht: Wie man es selbst niemals haben möchte!

Kann man sich denn das wünschen? Ja, aber die Garantie, daß Demenz außen vor bleibt, die haben wir leider alle nicht. ;-(

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